Die schöne Corona 3

Die schöne Corona 3

Ich sehe Ripp auf einer Bank vor dem Caligo Café sitzen. Üblicherweise trinkt er hier seinen Latte Macchiato und ist hin und wieder mit Gästen im Gespräch. Wir haben uns verabredet und Kaffee mitgebracht. Dabei halten wir uns ein wenig auf Abstand, um den Schein zu wahren. Wir sitzen schweigend und wippen dabei in einem erstaunlichen Gleichklang mit den Oberkörpern. Der Platz ist wie leergefegt. Lediglich vor dem Schlachter stehen die Menschen in einer geordneten Schlange.
„Was macht Corona, deine schöne Philosophin?“, frage ich ihn.
Ripp kichert leise vor sich hin. Meine Frage scheint ihn unangenehm zu berühren.
Ich habe sie nur kurz einmal wiedergesehen. „Lebe das Leben, liebe das Leben“, hatte sie mir zugerufen. „Ich bin die Chance deines Lebens“. Ich solle einmal darüber nachdenken, was wir uns nehmen aber in Wirklichkeit nicht benötigten. Gesundheit anstatt hoher Renditen und Dividenden!
Die letzten Tage habe ich sie aber nicht wieder gesprochen. Aber ich sehe ja, was sie so anrichtet. Da fehlt mir der Impuls, sie zu treffen.“

„Vielleicht bist du immun? Du hast dich scheinbar nicht infiziert oder die Krankheit überwunden?“
„Mit der Sterblichkeit hat sie schon mal recht. Aber mit ihrer These der großen gesellschaftlichen Veränderung? Ob es ein großes Projekt wird, indem wir unsere intellektuelle, geistige, kulturelle und politische Schwäche überwinden, das ist nicht ausgemacht.
Europa hat keine gemeinsame Richtung gefunden. Im Gegenteil, die großen und kleinen Diktatoren nutzen die Gelegenheit ihren Überwachungsstaat zu legitimieren. Der Kurze aus Österreich, der Ungar und selbst in Deutschland wird die Überwachung getestet. Von den USA ganz zu schweigen. Ich will jetzt nicht alle aufzählen.
Dan Patrick, der Vizegouverneur von Texas hat gefordert, das die ältere Generation sich für die Jüngeren opfern solle, damit das Leben weiter gehen könne. Also die Läden wieder öffnen können. Die Ökonomie hat immer noch Vorrang und die Schwachen zahlen den Preis. Es ist nicht klar, welche Handlungsaufforderungen es in und nach der Krise geben wird: Die Aufforderung zu einer Verringerung der „In-Wert-Setzung“ aller Beziehungen? Oder sind alle einfach nur erschöpft? Geht es weiter wie vorher? Es ist gerade so, als wäre das Land in einem Dornröschenschlaf“, fabulierte Ripp und nahm einen großen Schluck aus seiner Thermoskanne, hielt aber mitten in der Bewegung inne und erstarrte, bis mir das Theater zu langweilig wurde und ich ihn endlich anstieß.
„Sieh da, mein Prinz, du hast mich sozusagen wach geküsst. Ich fühle mich wie Dornröschen! Übrigens bist du mir in der Tat zu nah gekommen, mein Lieber. Aber überlege mal wie es wäre, wenn für drei, vier oder fünf Monate alles auf einen Schlag zum Stillstand käme und sich dann märchenhaft genau an dieser Stelle fortsetzen würde?“
„Dein Kaffee wäre kalt.“
„Nein, nehme mal an, er wäre noch genauso heiß wie vorher, es verginge keine Zeit.“
„Nein, der Kaffee wäre kalt, genauso wenig wie es Stillstand ohne Verluste geben kann, weil die Zukunft bereits verpfändet ist, durch Schulden, Kredite und geplante Dividenden. Alles das ist entwertet. Ebenso wie ein geplanter und bezahlter Urlaub, der nicht mehr genommen werden kann.“
„Aber der Staat ist ein großer Geldzauberer“, warf Ripp ins Feld. Vielleicht löst sich die Loslösung der Realwirtschaft von der Finanzwirtschaft wieder auf? Vielleicht fördert der Staat mehr Kultur, Bildung, Schulen, Sozialwesen?

„Ich glaube nicht, dass ein großes Projekt die Menschen interessiert, wir wissen ja noch nicht, wie lange es andauern wird, mit der Corona, vielleicht solltest Du sie noch einmal treffen und sie fragen?“, schlug ich vor.

„Vielleicht mache ich das. Aber ich habe noch keine Frage. Warum, wie lange? Zu banal. Warum? Sie wird antworten: “Wo soll ich denn sonst hin? Meine anderen Wirte sterben aus. So what. Ich werde deine große Liebe werden. So vielleicht. Oder: Ich mache alle gleich. Egal wer du bist, in welchem Land du wohnst. Es ist an Euch, wie die Zukunft aussehen wird. Noch ist Hoffnung, der Mensch als humanes Wesen und nicht als des Menschen Wolf“.

Gesundheit!

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