Frank der Anwalt gab sich große Mühe, Frau Markmann mit den wesentlichen Prinzipien seiner Ablage, der Korrespondenz und dem Umgang mit seinen Mandanten vertraut zu machen. Schnell stellte er fest, das die Office-Programme und Outlook nicht so ihr Ding waren. Frank war geduldig, zumal er es genoss, wenn Frau Markmann neben ihm saß, was ja unbedingt erforderlich war, wie er fand, wenn man gemeinsam auf den Bildschirm schaute; fragte, und erklärte. Er fühlte sich wohl, wenn sie mit ihren langen, kräftigen Beinen neben ihm saß. Beine, die ihn manchmal leicht touchierten, wenn sie sich vorbeugte, um einen besseren Blick auf den Monitor werfen zu können. Er erklärte ihr das digitale Ablagesystem. Sie wirkte konzentriert, konnte die Aufgaben allerdings nicht besonders schnell erfassen. Frank gestand sich ein, dass er ein wenig enttäuscht war. Eine weitere Enttäuschung in der ersten Woche war ihre Ankündigung, dass sie pünktlich weg müsse. Ein Freund würde sie abholen. Ihr Freund. Das hatte sie gesagt, als er sie zum Essen einlud. Am Abend, nicht mittags. „Ihr Freund ist doch da kein Problem? Oder? Wir könnten uns in lockerer Umgebung einfach mal eine Rückmeldung geben, wie der Einstand so läuft.“
Er sah sie ihr länger als notwendig in die Augen. Sie sog wieder auf ihre spezielle Weise die Luft durch die Nase.
Anke Markmann fühlte sich geschmeichelt, aber dennoch nicht wohl dabei, mit Ihrem Chef Essen zu gehen. Eine unerwünschte Intimität, auf die sie sich vielleicht einlassen müsste. Nicht körperlich, nein, so empfand sie das nicht. Eher als ein Eindringen in Ihre sorgsam gestaltete Fassade. Sie kam gut zurecht in ihrem Leben. Ein Leben mit zwei Kindern von zwei Vätern und dem Attribut der Alleinerziehenden Mutter, mit wenig Geld. Es reichte aus, die kleine Wohnung zu bezahlen und den Kindern das Nötigste zu bieten. Vor allen Dingen Zeit.
Sie hatte es gerade geschafft, sich von Eberhardt zu lösen, dem Fotografen, der immer nur mit ihr ins Bett wollte. Er war ein körperlich ein eher unattraktiver Mann, aber ziemlich auf Sex fixiert. Wann ficken wir wieder, schrieb er ihr auf Postkarten. Sie hatte Lust, aber er war nicht ihr Typ. Eberhardt war viel auf Reisen, sie trafen sich immer spontan und nur zu diesem einen Vergnügen.
Und sie hatte im Alltag Ruhe vor ihm. Alle Freiheit der Welt.
Wie sollte sie ein Abendessen überstehen, ohne diese Welt zu öffnen? Und sie hatte doch im Internet nach dem Traummann gesucht. Neununddreißig war sie jetzt. Da sollte noch etwas kommen. War sie schon bereit dazu, im wirklichen Leben? Ihre Therapeutin hatte ihr dazu geraten. Sich einzulassen auf das Leben.
Frank hatte das mit dem Freund ignoriert. Er war jetzt mitten im Leben, das war seine Zeit, glaubte er. Ich muss zugreifen und nehmen, was mir das Leben anbietet. Geschieden, eine Ex die sich als Schauspielerin verstand und ihren Lebensunterhalt als Sprach-Lehrerin verdiente. Und ein Kind, eine Tochter an der er hing. Außerdem viele Fehlversuche auf Resteficker-Ü-30 Parties, wie er seine Partnersuche bewertete. Konventionen? Was spielen die für ihn noch eine Rolle. Frank dachte sich mutig. Das Abendessen mit Frau Markmann. Er würde das schon hinkriegen. Etwas unverbindliches in vertrauter Umgebung, aber nicht zu nah an ihrem Kiez. Die Palette in Eppendorf. Das würde gehen. Oder doch besser bei ihr um die Ecke. Abendrothsweg. Da gab es ebenfalls genügend Restaurants. Er würde reservieren, sicher ist sicher.
Der Abend in der Palette ein paar Wochen zurück. Frank musste akzeptieren, dass Frau Markmann, Anke nach einem Glas Wein, keine Beziehung wollte. „Ich habe einen Freund, aber nur noch platonisch seit einiger Zeit und fühle mich gut allein mit meiner Tochter“. Sie verschwieg ihre Partnersuche im Internet, ging Frank, wie sie ihren Chef jetzt nannte, ja auch nichts an. „Da haben wir ja etwas, was uns verbindet“, freute sich Frank, obwohl er das mit der Tochter bereits wusste. Er konnte die widersprüchlichen Botschaften von Anke nicht entschlüsseln. Ein knallroter Mund, knallrot lackierte Fußnägel in leichten Sandalen kurz vor Weihnachten. Eine leichte Jacke, darunter eine leichte Bluse. Aber sie will keine Beziehung. „Was treibst du denn so in deiner Freizeit?“, fragte er und biss sich hinterher fast die Zunge ab. Was treibst du, wie blöd war das denn. Doch sie antwortete entspannt, und spielte fast gelangweilt mit ihrer Gabel im Salat herum. „Ich bin mit Freunden unterwegs, und Freundinnen“ ergänzte sie amüsiert, als sie seinen irritierten Blick sah und strich dabei ihm leicht über seine Hand. „Manchmal tanze ich Salsa. Bin aber nicht wirklich eine gute Tänzerin.“
„Ich gehe auch gern tanzen,“ freute sich Frank, wollte aber nicht sagen, wo. Das mit den Ü-Parties war ihm peinlich. Anke hatte darauf nichts gesagt. Er tanzte außerdem Tango, aber noch nicht so gut, dass er sie überreden wollte, mitzukommen. Er fühlte sich noch genötigt, über die Arbeit zu sprechen, wie: freundlich am Telefon sein, vielleicht mal einen Office-Kurs belegen, was sie sich denn so vorstellte. Sie stellte sich flexibles Kommen und Gehen vor.Zu Abschluss des Abends hatte er sie in der Nähe ihrer Wohnung abgesetzt.
Dann stand Silvester vor der Tür.