Der Abend begann mit einem ungewöhnlichen, fast surrealen Erlebnis: Mozart und Zimmer, zwei Komponisten, die Jahrhunderte voneinander trennten, fanden sich Seite an Seite in einem modernen Kino wider. Die leisen Stimmen der anderen Zuschauer, das Lichtspiel der flackernden Leinwand – all das war für Mozart faszinierend neu und zugleich beunruhigend. Er, der seine Werke in prachtvollen Opernhäusern, umgeben von dem ehrwürdigen Glanz des Adels, aufgeführt hatte, sah sich nun in einer düsteren, stillen Halle wieder, wo die Musik von unsichtbaren Lautsprechern kam, perfekt abgestimmt, aber irgendwie auch entmenschlicht.
Sie begannen den Abend mit der Vorführung von „Gladiator“, einem der berühmtesten Werke Zimmers. Die epische Geschichte, das Donnern der Schlacht, das leise Klagen der Streicher, die Zimmers Musik so meisterhaft einfing – all das überwältigte Mozart. Der Bildschirm erzählte die Geschichte, aber es war die Musik, die die Emotionen trug, die den Zuschauer in die Welt des antiken Roms hineinzog. Mozart, der so viele Jahre zuvor die Kämpfe und Triumphe seiner eigenen Zeit in Musik gefasst hatte, war tief beeindruckt von der subtilen Macht, die diese moderne Filmmusik besaß. Sie war mehr als nur eine Begleitung; sie war eine unsichtbare Hand, die das Publikum führte.
Nach der Vorstellung diskutierten die beiden, während sie über die belebten Wiener Straßen zum Theater spazierten. Mozart war überrascht von der Weise, wie Zimmers Musik die dramatischen Momente verstärkte, ohne sie zu überwältigen. Er verglich das Erlebnis mit der Wirkung seiner eigenen Ouvertüren, die das Publikum in die richtige Stimmung für das Kommende versetzen sollten. Bei „Don Giovanni“ etwa erzählte schon die Ouvertüre von der dunklen, unheilvollen Natur der Oper, lange bevor der Vorhang sich hob. Zimmer nickte anerkennend; das Konzept der musikalischen Einstimmung sei auch in der Filmmusik von größter Bedeutung.
Im Theater angekommen, setzten sich die beiden in die Samtsessel, um Mozarts „Die Zauberflöte“ zu erleben. Die lebendige Szenerie, das prunkvolle Bühnenbild und die glanzvollen Kostüme entfalteten eine ganz eigene Magie, die auch Zimmer in ihren Bann zog. Die Klarheit der Stimmen, die Einfachheit der Melodien, die dennoch von so viel Tiefe durchdrungen waren – all das machte ihm bewusst, wie sehr sich die Aufführungskunst verändert hatte, und doch, wie viel sie mit der heutigen Filmmusik gemein hatte.
Nach der Aufführung wanderten sie durch die dunkler werdenden Straßen, bevor sie in ein nahegelegenes Café einkehrten. Es war ein geschichtsträchtiges Wiener Café, dessen Wände Geschichten flüsterten, die in der Luft hingen wie der Duft des frisch gebrühten Kaffees. Mozart, noch in den Nachhall der Musik vertieft, kommentierte die Aufführung. Es war ein Verweis auf die Universalität der Emotionen, die in seiner Zeit ebenso kraftvoll gewesen seien wie in der heutigen. In „Die Zauberflöte“ habe er versucht, eine Brücke zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen zu schlagen, die Figuren in den Kosmos der Musik einzubetten und dabei eine moralische Botschaft zu übermitteln. Für ihn war Musik eine Sprache, die über Worte hinausging, die das Publikum in ihrer Vielschichtigkeit erreichen musste.
Zimmer, noch immer berührt von der Theatralik und dem handwerklichen Können, das er gerade gesehen hatte, fragte sich, wie wohl eine solche Oper heute klingen würde, wenn sie mit den Mitteln der modernen Filmmusik vertont würde. Die Tiefe und Komplexität, die Mozart in so einfache Melodien legen konnte, war für ihn faszinierend und herausfordernd zugleich. Er erzählte von seinem Experimentieren mit wiederholten Motiven in „Inception“ und wie diese Wiederholung die Struktur und das Gefühl von Träumen und Realität verwebte. Wäre es möglich, fragte er sich laut, eine solche Technik auf eine Oper wie „Die Zauberflöte“ anzuwenden? Die Frage blieb offen im Raum stehen, während Mozart darüber nachdachte, wie seine Musik wohl mit digitalen Synthesizern und orchestralen Klangfarben klingen würde, die über seine kühnsten Vorstellungen hinausgingen.
Das Gespräch kehrte immer wieder zu der Frage zurück, was Musik leisten müsse. Mozart glaubte fest daran, dass Musik nicht nur unterhalten, sondern auch erziehen und erleuchten sollte. Seine Werke sollten die menschliche Natur spiegeln, ihre Schwächen und Stärken gleichermaßen enthüllen. Zimmer wiederum sah die Aufgabe der Musik darin, die narrative Struktur zu stützen, die emotionalen Tiefen eines Films zu ergründen und die Zuschauer auf eine Reise mitzunehmen, die über das Offensichtliche hinausging.
Was sie vereinte, war ihr unermüdlicher Drang, das Publikum zu bewegen – sei es durch die Klarheit und Schönheit einer Arie oder die unaufdringliche, aber allgegenwärtige Präsenz eines musikalischen Themas im Film. Sie erkannten, dass die Essenz dessen, was Musik bedeutete, sich nicht verändert hatte. Es war die Kraft, die im Unausgesprochenen lag, in den Pausen zwischen den Noten, im Schweigen, das manchmal lauter sprach als jeder Klang.
Mozart, dessen Geist noch immer von der Flut neuer Eindrücke bewegt war, überlegte, wie er heute schreiben würde. Vielleicht würde er sich in die komplexen Klangwelten stürzen, die Zimmer in seinen Filmen erschuf, vielleicht aber auch die Einfachheit wahren, die ihn stets auszeichnete. Zimmer hingegen fragte sich, wie er in Mozarts Zeit komponiert hätte – ohne die technischen Möglichkeiten von heute, aber mit dem tiefen Wissen um die Wirkung von Klang und Stille.
Schließlich, als die Nacht über Wien hereingebrochen war und das Café von einem gedämpften, warmen Licht erfüllt wurde, schwiegen die beiden. Es war ein Schweigen, das von tiefem Respekt und einem gemeinsamen Verständnis erfüllt war. Die Unterschiede zwischen ihren Zeiten und Methoden schienen in diesem Augenblick unwichtig. Was zählte, war die Musik – das ewige Bindeglied, das ihre Welten miteinander verknüpfte, das sie beide immer wieder aufs Neue herausforderte und erfüllte.
