CORONA, der Patient und innere Stärke

Ein kleines Café, der Duft von frisch gebrühtem Kaffee erfüllt den Raum. Blumen schmücken die Tische, das Licht ist weich und warm, wie ein sanfter Mantel, der sich um die Gemüter legt. Die Nachmittagssonne schimmert durch die großen Fenster und taucht alles in ein goldenes Licht. Die Welt draußen scheint fern, hier drinnen herrscht eine ruhige, fast zeitlose Atmosphäre. Der Patient sitzt an einem kleinen Holztisch, die Tasse Kaffee in seiner Hand. Ihm gegenüber  sitzt Corona, die „Schöne“, die du, Autor, so oft in deinen Gedanken hast. Ihr Blick ist sanft und aufmerksam, als ob sie alles verstehen würde, ohne dass Du ein Stichwort für sie, ein Wort sagen lassen müsstest.

Der Patient „Ich weiß nicht, Corona… es ist alles ganz schön viel. Seit Wochen liege ich im Krankenhaus. Es fühlt sich an wie ein endloser Albtraum, aus dem ich nicht aufwachen kann. Ich bin so müde, innerlich wie äußerlich. Alles in mir schreit nach Ruhe. Ich bin kein Star, aber holt mich hier raus!“

Seine Stimme ist leise, fast brüchig. Er versucht, die Fassung zu wahren, aber die Erschöpfung sitzt tief. Corona sieht ihn lange an, ohne ihn zu unterbrechen. Sie lässt seine Worte im Raum hängen, als hätten sie Gewicht, das nicht einfach durch eine Antwort weggenommen werden kann. Zumal sie selbst als Mitglied einer Virusfamilie nicht immer gern etwas zu Krankheiten sagen möchte. Gern, wie man sich favor schützt, das schon.

Corona: „Ich spüre deine Müdigkeit. Du trägst viel mit dir herum, mehr, als du vielleicht selbst begreifen kannst. Dein Körper leidet, aber auch dein Geist scheint schwer beladen. Du versuchst, stark zu sein, nicht wahr? Immer stark für die anderen, für dich selbst…“

Der Patient senkt den Blick. Ihre Worte treffen einen wunden Punkt in ihm. Die Tränen steigen ihm in die Augen, und er kämpft vergeblich dagegen an. Sie darf trotz jahrelanger Vertrautheit nicht sehen, wie nahe er am Rand steht. Er schämt sich ob seiner Schwäche.  „Ja, aber es fühlt sich an, als ob ich nicht mehr stark sein kann. Alles ist schiefgelaufen. Die erste Operation war ein Fehlschlag, die zweite hat auch nichts gebracht. Und jetzt… dieser Keim. Mein Körper wehrt sich, aber ich spüre, dass er immer schwächer wird. Die Ärzte sprechen von schlechten Werten, und ich… ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll.“

Der Patient fühlt, wie die Tränen über deine Wangen laufen. Vergeblich versucht, er diese wegzuwischen, doch Corona sieht es, natürlich. Sie lehnt sich ein wenig vor, ihre Augen voller Verständnis und dennoch fordernd.

„Es ist nicht leicht, das Leben zu akzeptieren, wenn es dir so viele Steine in den Weg legt. Es ist völlig in Ordnung, dass du weinst. Tränen sind keine Zeichen von Schwäche. Sie sind ein Ventil, das deine Seele braucht, um nicht überzulaufen.“

Seine Lippen zittern, und er atmet tief ein, um sich zu beruhigen. Die Worte, die du so oft gehört und anderen selbst auf den Weg gegeben hast – stark bleiben, positiv denken, in jeder Krise liegt ein Chance– haben keine Bedeutung mehr. Das scheint alles lediglich für gesunde Menschen zu gelten.Du fühlst dich allein, trotz der vielen Menschen um dich herum. „Aber wie soll ich weitermachen? Wie soll ich diese Unsicherheit ertragen, diese Angst? Nichts ist mehr unter meiner Kontrolle. Es ist, als ob mir alles entgleitet, und ich kann nichts tun, um es aufzuhalten.“ Er sieht Corona direkt in die Augen, suchst nach einer Antwort, nach etwas, das ihm Halt gibt. Ihre Miene bleibt ruhig, fast nachdenklich. Kurz denk er, das sie ja nur ein Virus ist. Eine künstliche Intelligenz. Sie sitzt hier aber. Aus Fleisch und Blut.

Corona antwortet leise: „Stärke wird oft missverstanden. Man denkt, sie sei etwas, das keine Risse zeigt, das immer unerschütterlich ist. Aber wahre Stärke liegt vielleicht genau darin, dass du all das durchlebst und trotzdem weitermachst. Auch wenn du das Gefühl hast, alles entgleitet dir – du stehst noch hier. Du atmest. Das ist schon eine große Leistung, die du wertschätzen solltest.“

Der Patient starrr in seine Tasse, das leise Klirren des Löffels im Kaffee beruhigt ihn ein wenig. Ihre Worte klingen so vernünftig, aber sie dringen nur langsam zu ihm durch.„Ich habe einfach das Gefühl, dass ich nicht mehr stark sein kann. Es ist am Ende alles ziemlich viel zu ertragen “

Zittrig und stockend spricht er. Corona nickt leicht, als ob sie genau verstehen würde, was er empfindet.  „Du musst auch nicht immer stark sein. Es gibt Momente im Leben, in denen wir uns erlauben müssen, schwach zu sein. Es ist kein Versagen, es ist menschlich. Die Stärke, die du suchst, zeigt sich manchmal in den kleinen Schritten – in der Tatsache, dass du überhaupt weitermachst, auch wenn es sich sinnlos anfühlt. Am Ende wirst Du sicherlich belohnt und wieder leben. “

Der Patient möchte das gerne glauben und fühlt sich einen kurzen Moment ganz friedlich. Einen kurzen Moment. „Vielleicht ist es wirklich so, dass ich zu viel von mir selbst erwarte. Aber diese Ungewissheit… Wie soll ich sie ertragen? Ich weiß nicht, ob es besser wird. Die Ärzte wissen es auch nicht. Sie reden von Möglichkeiten, aber ich fühle mich einfach nur verloren.“

Du hebst den Blick, und Corona sieht dich mit einer Sanftheit an, die fast tröstlich wirkt. Sie lässt sich Zeit, bevor sie antwortet.

„Die Ungewissheit ist eine schwere Last, das ist wahr. Menschen wollen Sicherheit, etwas Greifbares. Aber das Leben gibt uns oft keine Garantien. Vielleicht liegt die Kunst nicht darin, die Ungewissheit zu besiegen, sondern sie anzunehmen. Sie als Teil deines Weges zu sehen. Sie ist kein Feind, sondern ein Begleiter.“

Ihre Worte klingen fast philosophisch, und der Patient weißt nicht, ob er sie wirklich verstehen kann. Aber sie geben ihm das Gefühl, dass es einen Weg gibt, auch wenn er ihn noch nicht sieht.

„Wie soll ich das annehmen? Wie lässt man so etwas zu?“Er fragt es fast verzweifelt. Es klingt so einfach in ihren Worten, aber in seinem Inneren tobt ein Sturm, den er nicht bändigen kann.

Corona: „Indem du das Bedürfnis loslässt, alles zu kontrollieren. Indem du dir erlaubst, nicht alles zu verstehen, und trotzdem weitergehst. Es ist wie ein Fluss – manchmal kannst du nicht gegen den Strom schwimmen, dann lässt du dich treiben und vertraust darauf, dass er dich trägt.“

Ihre Augen leuchten sanft, als sie diese Worte spricht. Es klingt nach Akzeptanz, nach Loslassen – Dinge, die  so schwerfallen.

„Es ist schwer, daran zu glauben.“

Er spricht es leise aus, fast als wäre es ein Geheimnis, das er sich selbst erst jetzt eingestehst. Doch Corona lächelt nur.

„Es ist das Schwerste, was wir tun können. Aber manchmal ist es auch das Befreiendste. Du musst nicht alles sofort verstehen. Manchmal geht es nur darum, den nächsten kleinen Schritt zu machen, selbst wenn du den Weg noch nicht siehst.“

Der Patient nimmt einen tiefen Atemzug, spürst, wie sich eine gewisse Erleichterung in ihm ausbreitet. Es ist kein vollständiger Frieden, aber vielleicht ein Anfang. Es fühlt als ob er wenigstens einen Moment lang nicht kämpfen muss. „Vielleicht hast du recht. Ich weiß es nicht. Aber ich werde versuchen, es so zu sehen. Was bleibt mir sonst?“

Er schaut Corona direkt an, ihre Präsenz ist ruhig und sicher.

Corona: „Was bleibt, ist Hoffnung. Auch wenn du sie gerade nicht sehen kannst, sie ist da. Du bist nicht allein, selbst in deinen dunkelsten Momenten. Manchmal findest du Licht an Orten, wo du es nie erwartet hättest – vielleicht auch in dir selbst.“

Ihr Gespräch verstummt, aber in der Stille liegt eine Art von Trost. Keine magische Lösung, keine schnellen Antworten. Aber das Gefühl, dass du getragen wirst, auch wenn der Weg noch dunkel ist. Corona lächelt dem Patienten zu und entschwindet.

Corona 6. Teil. Herr Prill wandert aus.

Corona 6
Herr Prill wandert aus.

Die Plätze im Calligo-Café sind gut besetzt. Hier gibt es die feinsten Kaffeesorten im Angebot, Gebäck und Snacks dazu. Für jeden ist etwas dabei. Drinnen bestellt man wieder, wie vor Coronas Zeit, bedient wird am Tisch. Morgens ist es ein Rentner-Café, die ihre Stammplätze besetzen, mittags kommen Schüler und Büromenschen, nachmittags kommt gemischtes Publikum. Die Zeit, in der man leicht einen Platz bekam, weil alle fürchteten, sich anzustecken, ist vorüber. Die schöne Corona habe ich länger nicht getroffen. Als wäre der Gesprächsstoff ausgegangen. Sie würde vielleicht angesichts der Weltlage sagen, der alltägliche Gesprächsstoff sei zerbombt. Die Sonne strahlt am hellblauen, wolkenlosen Himmel und taucht den Platz der Kleinstadt am Rande Hamburgs in italienisches Flair. Dazu gehört die Wanderbaustelle mit Presslufthammer, Planierraupe und rätselhaften Absperrungen, die sich im Kreis zu drehen scheinen. Die Fertigstellung zögert sich auch hinaus, weil Gäste den Arbeitern immer wieder Kaffee spendieren; in der Hoffnung auf eine Ruhepause. Ein Wimmelbild auf dem Platz, Gedränge auf den Sitzplätzen unter den wenigen Schirmen. Fahrradfahrer sausen an den Tischen vorbei. In der Sonne ist es nicht lange auszuhalten, wenn man keinen geschützten Platz hat. Sonnengeschützt ist lediglich noch ein Platz auf der Bank vor dem Schaufenster des Cafés frei. Dort sitzt ein Mann in kurzen Sporthosen, in einem Bayern-München Shirt und einer abgewetzten Kappe desselben Vereines. In sich versunken, verloren in Gedanken wahrscheinlich, oder anderswo verloren.  Soll ich mich neben diesen Mann setzten? Meistens sitzen dort die Raucher, mit dem Aschenbecher neben sich auf der Bank. Alternativ die Telefonierer oder Hundehalter. Oder alles miteinander kombiniert. Hund, Handy, Zigarette. Der Mann, im alten Bayerndress aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, schaut zu Boden; scheint nicht hier zu sein. Ich stehe unentschlossen, blicke mich um, sehe die schöne Corona vorbeischlendern. Als hätte sie gewusst, dass ich jetzt hier bin. Unsere Blicke treffen sich. Sie zwinkert mir zu und läuft aber weiter und hält sich dabei ihren Zeigefinger vor die Lippen. Die habe ich hier lange nicht gesehen. Es gäbe einiges zu bereden. Unser letztes Gespräch über den Baum der Erkenntnis ist bereits ein Jahr her. Wie geht es ihr wohl? Zuletzt hatten wir uns über die ungleich verteilten Lebenschancen unterhalten und die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz. Schlägt ein Virus die künstliche Intelligenz? Weg ist sie. Ich schaue hinüber zu der Bank mit dem Bayern. Es ist heiß. Seit Wochen. Ein Platz im Schatten ist besser als „ein Platz an der Sonne“.
„Ist hier frei?“
„Ja, ja, natürlich, bitte.“

Da kommt auch schon mein Latte Macchiato. „Sitzt du hier auf der Bank?“, werde ich gnadenlos geduzt.
Ich nehme das Glas entgegen und setzte mich. Der Herr rückt ein wenig zur Seite, wobei er seinen To-go Becher in der einen Hand und einen Stoffbeutel in der anderen hält. Den Stoffbeutel legt er auf die mir abgewandte Seite, den Becher behält er in der Hand, die er auf seinem Schoß ablegt.

Ich blicke kurz in ein Gesicht, das man als „offen“ bezeichnen würde. Eventuell auch als unschuldig. Vernarbt ohne das Narben zu sehen sind.

„Sind Sie Raucher?“, frage ich sicherheitshalber.
„Nein, nein.“ Er hebt abwehrend die Hände. Dann stellt er den Kaffeebecher ab. „ich habe nie geraucht. Aber ich hatte einmal einen Freund, der hatte so dermaßen geraucht, dass er gelbe Finger hatte. Der stank wie Hölle und seine Bude ebenfalls. Der hatte noch Gardinen, die waren auch gelb. Die Wände waren mal weiß gewesen. Gelb! Nee, ich bin jetzt einundfünfzig, da fang ich doch nicht mit dem Rauchen an.“ Er schüttelt den Kopf, als wäre ich nicht richtig informiert oder Schlimmeres. Er schaut mich fragend an. „Ich frage nur, weil meistens Raucher auf den Bänken sitzen. Wenn Sie Raucher wären, hätte ich mich doch in die Sonne gesetzt.“
„Um Gottes Willen, ich rauche nicht.“
„Ich habe an meinem 40ten Geburtstag aufgehört zu rauchen“, erkläre ich mich. Ich habe einfach beschlossen, nicht mehr zu rauchen. Die einzige ultimative Methode. Ich habe beschlossen, nicht mehr zu stinken.“
„Nee, nee, genau. Ich bin ja auch Vorbild für meine Jungs“. Er nickt bestätigend heftig mit dem Kopf.
„Sie sind Bayern Fan? Oder kommen Sie aus Bayern?“ spreche ich an.Ich habe jedes Jahr Urlaub in Bayern gemacht. Ich liebe die bayrische Lebensart. Dieses ganze Ursprüngliche, die direkte Art der Menschen da und das Gemütliche. Die Menschen sind so echt und herzlich. Ich war immer mit meinen Jungs da. In Bernau am Chiemsee. Das ist immer wieder wie Heimat. Wenn wir da ankommen, fühlen wir uns gleich wie zuhause. Wir sind immer im selben Haus untergebracht. Man kann viel unternehmen. Für die Kinder ist natürlich der See ideal. Wir wandern und machen Touren mit dem Fahrrad. Die Kinder waren immer begeistert. Meine Frau hatte dazu keine Lust, als wir noch zusammen waren. Sie wollte lieber ans Meer. Mallorca oder Malediven. Nur Flausen im Kopf. Meine Frau macht Stress, weil ich mit den Kindern wegziehe und sie in Ahrensburg bleibt. Dabei hat sie unser Leben vorher auch nicht interessiert.“
„Aber jetzt?“

Er zuckt nur mit den Schultern.
„Immerhin haben Sie in Ahrensburg gewohnt und waren theoretisch erreichbar? Das hat ihr vielleicht ein sicheres Gefühl gegeben?“
„Sie hat sich nur für sich interessiert. Bin ich schön? Wie komme ich auf Insta rüber. Wie komme ich zu mehr Unterhalt. Der Richter ist schön auf sie reingefallen, was den Unterhalt betrifft. Schwamm drüber.  Ich kann auf ihre Gefühle keine Rücksicht nehmen. Der Junge, mein Jüngster war immer etwas zurück, lernbehindert würde man sagen. Das hat sie gestört. Sie hat ihn immer vor anderen Leuten versteckt. Es war für mich eine Schande. Ich habe mich für sie geschämt. Ich kann heute keine Rücksicht mehr nehmen. Jetzt bin ich 51, wie gesagt, ich wiederhole mich. Immer gearbeitet. In der Logistik. Als Facharbeiter. Wegen Corona arbeitslos geworden. Ich habe 20 Jahre lang in der Firma am Flughafen gearbeitet. Dann kam Corona. Ein verfluchtes Virus. Es hat mein Leben zerstört.“
Corona war doch lange nicht mehr hier, wende ich ein. Ich blicke mich um; sie ist nicht zu sehen.
„Wie meinen Sie das?“
Ich entscheide mich, die Frage zu überhören. Es ist nicht nachvollziehbar, dass ich die schöne Corona und ihre Schwestern getroffen hatte. Corona ist jetzt nicht mehr entscheidend für den Gang der Geschichte des Herrn Prill. Sie hat ihm jedoch den nötigen Stoß versetzt. Er will erzählen, nicht zuhören. Dass er seine Arbeit durch Corona verloren hatte, spielt eine wichtige Rolle.  Schließlich hat diese Tatsache seinem Leben eine neue Richtung gegeben. Zum Guten, wie es aussieht. Die Chance in der Krise. „Eine Abfindung gab es, eine Auffanggesellschaft, aber keine neue Arbeit. Warum nicht in Bayern neu anfangen? Ich habe entschieden, dass ich das darf. Ich liebe den Blick auf die Kampenwand. Von dem Fenster unserer Ferienwohnung „Sylvia“, in Bernau, direkt am See gelegen, ist sie gut zu sehen. Dieser weite Blick, diese Ruhe! Nicht so wie hier, ein Gewimmel, ein Durcheinander, alles unpersönliche Begegnungen. Mit den Jungs wandere ich auf die zersplitterten Gipfel. Und die Kultur. Die Inseln auf dem Chiemsee. Ich könnte den ganzen Tag damit verbringen, mit dem Boot von Insel zu Insel zu fahren. Ich genieße die Gärten der Fraueninsel. Und erst das Schloss auf der Herreninsel. In Bernau fühle ich mich zuhause. Meine Kollegen sagen, so ein Quatsch Herr Prill. Man fühlt sich dort zuhause, wo man geboren ist. Kann man nicht ganz woanders zuhause sein? Dort ist mein zuhause!“ Er nimmt einen Schluck aus seinem Becher. Seine Augen werden feucht, er trinkt, er atmet tief. Ein paar Tränen wischt er weg. Wir schauen auf den Platz, bis er weiterspricht. Er lehnt sich zurück, beugt sich vor. „Ich darf einmal in meinem Leben etwas tun, was gut für mich ist. Wenn ich in Bernau durch die Birkenallee laufe und auf die Kampenwand schaue. Die Birkenallee heißt Birkenallee, weil dort so viele Birken stehen“, erläutert er und nickt mir zu, damit ich das besser verstehe, denke ich.
„Da ziehe ich mit meinen Jungs hin. Auch wenn die Mutter weiter dagegen angeht.“ Er zerdrückt den leeren Kaffeebecher und nimmt seine geschundene Bayernmütze ab.
„Und die Jungs? Wie sehen die das?“

 „Sie sind glücklich, dass wir dorthin ziehen. Meine Jungs sind 15 und 18 Jahre alt. Der 15jährige ist durch seine Lernbehinderung sehr eingeschränkt. Meine Sorge war groß, für ihn nicht zu finden. Schließlich sollte alles organisiert sein, bis ich daran denken konnte, ernst zu machen. Für den habe ich schon eine Schule mit einer Werkklasse organisiert. Ich hatte mir das schwieriger vorgestellt. Es ging ganz einfach! Unglaublich. Ich habe ein paar Schulen angerufen und konnte mir die Schule aussuchen. Und der 18jährige kann sowieso machen, was er will. Ihm habe ich einen Ausbildungsplatz besorgt. Da kann seine Mutter nichts machen. Wir wandern aus!“ Er steht auf und drückt meine Hand. „Danke, dass Sie mir zugehört haben, ohne wie alle anderen zu sagen, dass ich bekloppt bin.“

Danken Sie der schönen Corona, lächle ich in mich hinein.